Schwert „surik“
Dieses große Schwert hat eine einschneidige, gerade, sich nach vorn verbreiternde Klinge mit einer abrupt zur Schneide abfallenden Spitze. Sie ist schmucklos und macht den Eindruck einer robusten Gebrauchswaffe. Der Griff ist aus unbestimmtem Holz. Er hat eine gerade Handhabe und ist im unteren Teil durch eine lange Buntmetall-Zwinge gegen Aufspaltung geschützt. Der Knauf ist groß und flächig und weist einen zur Klinge weisenden breiten „Schnabel“ auf, der eine sehr sichere Handhabung bietet. Im Nacken sind zwei Haarbüschel eingesetzt, die von Vertretern der einheimischen Pferderasse („Timor-Pony“) stammen dürften. Zwei erhabene stegartige Flächen auf dem Knauf laufen in flachem Winkel aufeinander zu und geben dem Ganzen einen abstrakten, fast modernistischen Habitus. Der obere dieser Stege ist im Flachrelief mit Spiral-Ornamenten in unspezifischer Gruppierung beschnitzt. Am Ende der auslaufenden „Nase“ ist ein Kugelglöckchen an einer kurzen Schnur aufgehängt, das gemeinhin als „Tigerglocke“ bekannt ist. Glöckchen dieser Art sind als schon seit Jahrhunderten massenweise gefertigte Exportware aus Thailand, Myanmar und China im Umlauf. In der Mitte der Knauffläche prangt ein erhabenes Auge (mata), das dezent auf die ursprüngliche Bedeutung des Griffes als stilisiertes Fabelwesen hinweist. Es kann als sicher gelten, dass derartige zoomorphe Knäufe im ersten Jahrtausend durch südindische Einflüsse inspiriert wurden.
Die Scheide hat einen verdickten gerundeten Fuß. Sie wird durch grob geflochtene Rattanbänder zusammengehalten. Bemerkenswert ist das Mundstück, das breit und kastenförmig ausgebildet ist. Für die Zierformen des Mundstückes gibt es drei Interpretationen. Die erste ist die des Weltenbaums als zentrales Motiv. Der Weltenbaum reicht mit seiner Krone in die Ober-, und seinem Wurzelwerk in die Unterwelt und verkörpert die Dualität aller Existenzformen. Die zweite Interpretation ist die Auslegung dieser Zierfeldes als mythisches Dorf, in dem das Leben seinen Anfang nahm. In diesem Dorf fand der erste prokreative Mord statt, wobei aus einem getöteten Ur-Wesen alle Nutzpflanzen und der Mond als kalendergebende Instanz gebildet wurden. In Tänzen wird dieser Kreislauf von Tod und Erneuerung nachgestellt. In diesem Sinne ist das Mundstück als „Tanzplatz“ zu interpretieren, der für ein mythisch wichtiges Ahnen-Dorf und den Ursprung der menschlichen Kultur steht. Die dritte Interpretation sieht die Ornamentik als Totem-Wesen: entweder als mythische Schildkröte, welche die Mittelwelt trägt, oder als Ahnentier des Adels, als Krokodil.
Die wesentliche soziale Basis des rituellen Kriegertums auf Timor ist eine hierarchische Gesellschaftsordnung und ein stringentes Clan-Bewusstsein. Auf Timor obliegt den spezialisierten Kriegern oder Vorkämpfern, den meo, die Aufgabe, die ritualisierte Kriegsführung und das Nehmen von Leben zu organisieren und zu moderieren. Die Kämpfe zwischen den Reichen des alten Timor waren streng ritualisiert. Sobald ein Mann getötet oder ernsthaft verletzt wurde, endete der Kampf in der Regel. Schwerter (surik, von altjavanisch „curiga“, Schwert) sind Ausweis von Status und gesellschaftlichem Rang. Auf den Ikat-Textilien auf Roti, Sumba und Timor werden surik als repräsentativer Besitz des Adels dargestellt. Die Kunst der Atoin Meto (früher: Atoni) ist tendenziell dual, bzw. „zweipolig“ und axial ausgelegt, entsprechend der Kosmologie. Bestimmende Motive sind hierbei das Krokodil und die Schildkröte, jeweils in abstrahierter Form. Die Adeligen, maramba, führten sich männlicherseits auf das Krokodil Uis Neno zurück, und eines ihrer Hauptinsignien war die Schildkröte, die in der überlieferten Symbolik Träger der Mittelwelt ist.
Sonri sind auch auf der Zentral Timor nördlich vorgelagerten Insel Alor unter dem selben Namen oder unter sonbi bekannt.
Objekt | Schwert „surik“, „sonri“, „bada (pada)“ |
Kultur | Timor, Alor |
Zeit | 19./20. Jahrhundert |
Maße | Länge: 106 cm |
Material | Stahl, Buntmetall, Holz, Rattan, Haare |