Mandau-Griff
Dies ist der Griff eines jimpul oder langgai tinggang aus dem Gebiet der Iban-Dayak. Die Iban-Dayak sind die heute bei weitem bekannteste und zahlenmäßig stärkste Dayak-Gruppe. Iban leitet sich wahrscheinlich von hivan, „Wanderer,“ her. Die Iban sind in West-Kalimantan, Sarawak, Brunei und Sabah ansässig und galten früher als aggressive und sehr mobile Kopfjäger. Die Kunst der Iban unterscheidet sich von jener der übrigen Dayak. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Iban nicht ursprünglich auf Borneo beheimatet sind bzw. dort wesentlich später „ankamen“ als die übrigen Dayak-Gruppen, worauf auch ihr (ethnogenetischer) Name hindeutet.
Nach aktuellem Forschungsstand besiedelten die Vorfahren der Iban in der ersten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrtausends wahrscheinlich von Sumatra aus das Gebiet im Mündungsbereich des Flusses Kapuas im Umfeld der heutigen Stadt Pontianak an der Südwest-Küste Borneos. Von dort fand im Laufe der Jahrhunderte eine allmähliche Migration ins Quellgebiet dieses Flusses statt, das unmittelbar an der heutigen indonesisch-malaysischen Grenze liegt. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts erreichten die Iban das Gebiet des heutigen Sarawak, das formell zum Sultanat Brunei gehörte. Die Expansion der Iban lässt sich auf den Wanderfeldbau zurückführen, der jede Langhaus-Gemeinschaft zwang, etwa alle zehn Jahre weiterzuziehen, um neue Reisanbauflächen aus dem Primärdschungel gewinnen zu können. Im Osten des späteren Sarawak wurden die Iban mit den Bidayuh in Auseinandersetzungen verwickelt, während im Norden die Siedlungsgebiete der Kayan lagen, mit denen sich die Iban ebenfalls zahlreiche gewaltsame Konflikte um die Vorherrschaft über Flusssysteme lieferten. In dieser Zeit scheinen sich auf beiden Seiten Langhäuser wegen der erhöhten Gefahr durch Überfälle etabliert zu haben. Im Rahmen ihrer Sesshaftigkeit begannen die Iban, Kriegsfahrten in weiter entfernte Gebiete zu unternehmen. Das war auch notwendig, um dem Gebot der gelegentlichen Kopfjagd nachzukommen, ohne auf „eigenem“ Boden Unfrieden zu stiften, denn im althergebrachten adat (oral tradiertes Recht) ist Fehde unter Stammesangehörigen in keiner Weise erwünscht oder toleriert. Daher wurden malaiische Küstensiedlungen, chinesische Handelsschiffe und Dayak ebenso angegriffen wie weiter entfernte Iban-Siedlungen. Die Überfälle auf Malaien und Chinesen führten ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu massiven Gegenaktionen durch europäische Kolonialisten. Die Überfälle auf andere Dayak begründeten intertribale Kriege zwischen den verschiedenen Iban-Fraktionen sowie zwischen den Iban und anderen Dayak. Diese Phase der Sesshaftigkeit im Kernland einerseits und der weiterhin stattfindenden Expansion in den Randgebieten andererseits fand zunächst ohne äußere Einmischung statt, bis im Jahre 1839 James Brooke in Erscheinung trat und aufgrund einer geschickten Bündnispolitik mit Sarawak wenige Jahre später zum lokalen Herrscher wurde.
Die ureigenen parang (Schwerter) der Iban, zu denen der nyabor, langgai tinggang und jimpul gehören, unterscheiden sich grundsätzlich vom mandau der Kajan und Kenyah. Sie zeigen deutliche malaiische und sumatranische Einflüsse, die ursprünglich wiederum auf die Präsenz der Türken bzw. Turkvölker im Zuge des osmanischen Machtzenites im Archipel zurückzuführen sind. Die Iban verwenden als einzige Dayak-Gruppe (außer den Murut) gebogene Klingen mit symmetrischem Querschnitt. Diese „säbelartigen“ Schwerter, die reine Waffen sind, haben technisch gänzlich andere Eigenschaften als das mandau, dessen besonderer Schliff es zu einem effizienten Werkzeug für die Holzbearbeitung macht.
Dieser dunkel patinierte Griff verkörpert die kraftvolle, expressive Iban-Kultur auf dem Höhepunkt ihrer Präsenz um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Griff wird durch einen stilisierten Drachen gekrönt; die Flächen sind in eingehängte Spiralen, Nashornvögel, Gliedmaßen und Egel-Motive aufgeteilt. Eine Schreckmaske mit herausgestreckter Zunge (Unheilabwehr), eingelegten weißen Perlen als Augen bildet das Kernmotiv der vorderen Partie, während der Griffkörper die Doppelspirale als Symbol der Seelenreise und zyklischen Auffrischung der Lebenskraft, auch durch kajau, die rituelle Kopfjagd, in doppelter dualer Form zeigt. Eine Bezeichnung für diese Kombination lautet kohong kalunan, was sinnfällig „Kopf eines Mannes/Menschen“ bedeutet.
Dualismus, stellvertretend für Fruchtbarkeit, liegt aller Iban-Kunst zugrunde; auch in der Drapierung der erbeuteten Schädel, die im Idealfall paarweise im Rattankorb aufgehängt werden. Die ist ein bildhafter Verweis auf die Assoziation von Fruchtbarkeit bzw. Erneuerung und Kopfjagd.
Objekt | Mandau-Griff |
Kultur | Borneo, West-, Sarawak, Dayak, Iban- (oder Kenyah) |
Zeit | 19. Jahrhundert |
Maße | Länge: 18 cm |
Material | Hirschhorn, Rattan, Münze |