Omenvogel

Die Holzplastik ist aus einem Holzstück geschnitzt, hat eine glatte Oberfläche und es finden sich partiell schwarze Pigmentreste. An der Schauseite ist im Sockelbereich ein eingearbeitetes Gesicht erkennbar. Der Vogel hält sich mit seinen Krallen an einem Ast fest, rückseitig sind angedeutete Federn eingeritzt. Dieser Vogel stand vermutlich neben dem Herd in der Wohnabteilung eines Dayak-Adeligen auf Borneo.

Die Plastik stellt einen Vogel dar, der sich über einem menschlichen Kopf erhebt. Der Vogel hat in dieser Konstellation mit großer Wahrscheinlichkeit die Bedeutung eines Orakeltiers, das vor Kriegszügen über Erfolg oder Misserfolg der geplanten Unternehmung befragt wird. Wahrscheinlich handelt es sich um „Nendak“, der bei Kopfjagdzügen häufig befragt wurde. Man achtete dabei vor allem auf die Tageszeit der Vogelrufe oder auch den Ort, wo die Vögel gesichtet wurden. Wahrscheinlich war die Figur vor dem Hausaltar eines Adeligen oder Kriegsführers (raja berani) positioniert.

Auch sind diese Vögel Führer der Seelen der Verstorbenen (vor allem der Nashornvogel für den Adel). Alltägliche Vogel-Omen (burong bisa) können von jedem durchschnittlich gebildeten Dayak auf Anhieb gelesen werden. Sie bestimmen auch landwirtschaftliche und alltägliche Tätigkeiten. Für persönliche Bedürfnisse werden auch meditative und asketische Techniken angewendet, bei denen sich der Adept oder Orakelsuchende in einer provisorischen Waldhütte oder Höhle isoliert (Askese: nampok oder betapa), bis sich ihm durch Visionen Amulette, Flüche, Medizin oder Vorgehensweisen erschließen.

Es gibt sieben Omen-Vögel, die ihrem Herrn (und Vater, je nach Auslegung) Sengalang Burong, ergeben sind und die allesamt bestimmte Orakel-Funktionen erfüllen. Jeder Dayak kennt ihre Namen. Sie wohnen mit ihrem Herrn im Langhaus Tansang Kenyalang (Nashornvogel-Haus). Ihre Namen sind: Ketupong (Malaiischer Specht), Beragai (ein Trogon), Pangkas (Maronenspecht) auf der rechten Seite von Sengalang Burongs Familienraum im Langhaus, Bejampong (Haubenhäher), Embuas (Wellenliest), Kelabu Papau (Rotschwanz-Trogon) und Nendak (eine Drosselart) auf der linken Seite. Die Rufe werden im Zusammenhang mit dem sozialen Status des Hörenden und anderen, parallel zu beobachtenden Erscheinungen interpretiert.