Seelenschiff „telun“ (I)

Dieses Seelenschiff ist aus Holz geschnitzt, die Figuren, Kajüte, Mast sind einzeln angefertigt. Die Holzoberfläche ist mit schwarzen Pigmenten eingestrichen.

Das Seelenschiff (telun) ist ein altes Konzept der Dayak auf Borneo, das ursprünglich wahrscheinlich auf die ägyptische Sonnenbarke von Ra zurückgeht. Man glaubte, dass die Seelen ähnlich wie die Sonne im Osten aus der Unterwelt aufsteigen und im Westen „untergehen“ und in die Unterwelt eingehen. Das Jenseits liegt demnach immer im Westen. Es wird vermutet, dass der Tote auf einem Fluss reist, welcher erst breit anfängt und am Ende durch eine enge Schlucht mit einem Feuerstrudel, dem Eingang in das Totenreich, führt. Im Häuschen ist die Seele, die Sachen an dem Gestell sind kostbare pusaka, beispielsweise Gongs, aufgehängt, die dem Toten mitgegeben wurden. Sie leuchten auf dem Weg ins Jenseits, darum sind sie für die Fahrt wichtig. Auch die Tätowierungen des Toten, die für persönliche Leistungen, z.B. auch die der Kopfjagd stehen, leuchten ebenfalls auf dem Weg. Der Tote wurde vor der Zeremonie des Tantolak (Erstbestattung) in seiner kostbarsten Kleidung gekleidet und mit seinen persönlichen Besitztümern umringt. Die Toten ohne Verdienste und Besitz können daher den Weg nicht finden und auch nicht in ihren Nachkommen reinkarniert werden. Sie irren so lange herum, bis sie mit einem verdienstvollen Adeligen im Rahmen der Zweitbestattung „mitreisen“ können. Währenddessen dient der Reis, welcher für die Erstbestattung auf die Leiche gestreut wurde, dafür, dass die Reisseele Gana den Verstorbenen im Jenseits mit Nahrung versorgt. Die Zweitbestattung, das Tiwah-Fest (Fest der Erlösung), findet meistens Monate oder auch Jahre nach dem Tod des Menschen statt. Während der Tote im Jenseits auf seine Erlösung wartet, hält sich seine Seele in einem Holzbrett auf, auf welches ein Totenschiff gemalt ist. Dieses bemalte Brett wird am Haus des Verstorbenen aufgehängt (siehe Seelenschiff II).

Der lange Zeitraum zwischen den beiden Bestattungen ist darauf zurückzuführen, dass das Tiwah-Fest ein sehr aufwendiges und teures Fest ist und bis zu einem Monat dauern kann. Heutzutage werden deshalb oft mehrere Verstorbene zusammen feierlich bestattet.

Während des Festes war es üblich hampatong (kleine hölzerne Skulpturen) zu schnitzen, welche die Sklaven des Verstorbenen darstellen sollen.

Man glaubte auch, Blut würde die Sonne bzw. das Boot auf dem Weg stärken, möglicherweise weil sie rot auf- und untergeht. Darum wird der Sonnen- und Seelenweg meist mit Blutopfern dargestellt, beispielsweise auch die Kopfjagd. Für die Bestattung von Adeligen war die Kopfjagd unerlässlich. 

Die Schiffe mit einem Nashornvogel-Bug heißen ba-nama tinggang („großer/hoher Name“) und stehen immer für Adelige, während der Drachenbug (aso) das „Standardmodell“ darstellt.

Objekt Seelenschiff „telun“ (I)
Kultur Borneo, Dayak
Zeit 20. Jahrhundert
Maße Höhe: 60 cm   Länge: 95 cm
Material Holz, Pigmente
Weiterführende Literatur Zurück zur Raumansicht