Jimpul „duku amat“
Objekt | Jimpul „duku amat“, „nyabur“ |
Kultur | Borneo West-, Sarawak, Dayak, Iban |
Zeit | 19. Jahrhundert |
Maße | Länge: 82 cm |
Material | Stahl, Weichmetall, Hirschhorn, Rattan |
Das hier vorgestellte Objekt ist ein jimpul oder nyabur, ein Schwert, das charakteristisch für die Iban-Dayak in Sarawak (Nordwest-Borneo) ist und exklusiv bei diesen vorkommt.
Der jimpul soll in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Hybridform aus dem mandau (malat) der Ngadju-, Kayan und Kenyah-Dayak und dem parang pedang der Malaien entstanden sein. Wenngleich eine derart explizite zeitliche Einordnung auch gewagt erscheint, so ist dennoch sicher, dass es sich hier um eine relativ junge Schwertform handelt. Die schwere einschneidige Klinge ist gebogen, verbreitert sich nach vorne und ist durch Grubenschnitt mit flachem Boden und einer Meißelarbeit dekoriert. Zusätzliche Akzentuierung bieten schmale, ebenfalls mit Meißelung versehene Zierrillen, die die Hauptgrube flankieren, und die elaborierte Gravur des Klingenrückens. Die Klingenflanken laufen leicht konvex zu einer scharfen, dünnen Schneide von hoher Härte zusammen. Die Art des Meißeldekors erinnert deutlich an Dekorformen der Moro und der Illanún-Gruppen der südlichen Philippinen (Mindanao) und teilweise auch Nord-Sulawesis, die eine ähnliche Rolle als Seefahrer und Piraten wie die Iban spielten und deutliche kulturelle Überschneidungen mit diesen aufwiesen – abgesehen von deren muslimischer Bekennung, welche die Kopfjagd ausschloss und Abstraktion in den Dekorformen forderte. Einige der rüsselartigen Elemente (so-op) vor dem Schor (abfallender Rücken) sind in Messing einsetzt und formschlüssig eingehämmert.
Die Ausmaße dieses Schwertes stellen das Maximum dar, welches noch eine Handhabung als effektive, einhändig zu führende Waffe erlaubt. Das Gewicht liegt bei annähernd einem Kilogramm, was das obere Limit für diesen Waffentyp darstellt, zumal es sich in der Klinge konzentriert. Diese scheint aus industriell hergestelltem Stahl zu bestehen; eine Raffinierstruktur ist nicht erkennbar. Es kann daher angenommen werden, dass die Waffe aus dem früheren bis mittleren 19. Jahrhundert stammt und bereits aus (englischem) Flussstahl geschmiedet ist. Diese Tatsache lässt sich auch gut in den historischen Kontext einbinden, wie im Folgenden dargelegt wird.
Der Griff aus Hirschgeweih und die auf der Vorderseite mit Geweih-Zierplaketten versehene zweischalige, dunkle Hartholzscheide stellen eine Zusammenschau von typischen Iban-Dekorelementen dar. Wiederholt findet sich das Motiv des „Trophäenschädel-Geistes“ dargestellt. Dieses wird von seilartigen Zierbändern und geschuppten Bereichen, die fast wie Körperbereiche von Seeungeheuern anmuten, unterbrochen. Das noch aus der chinesischen Zhou-Kunst herzuleitende Krallen- oder Komma-(Egel-)Dekorelement sowie die eingehängte Spirale sind sparsam eingesetzt, dann aber sehr betont dargestellt. Die Zwischenbereiche sind mit kleinen eingehängten Spiralen versehen. Stegartige, unterschnittene Elemente führen von den Trophäenschädeln und anderenorts zum Griff („Haupt-aso“). Sie gehen in die geschuppten Bereiche über und können im Fall der Schädel als Indiz für die ätherische Komponente des „head-trophy-spirit“ angesehen werden. Ob die Schuppen auf die Symbolkraft des Krokodils anspielen, kann nicht festgestellt werden; in Verbindung mit den „Seilen“ kann auch ein maritimer Kontext („See-Dayak“ als damals neuer ethnogenetischer Begriff) vermutet werden. Zeitgenössische britische Marinesäbel zeigen z. B. ebenfalls maritime Symbolik am Griff – und die Briten hatten viele Auseinandersetzungen mit den Iban. Ausladende Kopffortsätze scheinen dagegen auf Seelensubstanz aus dem Kopf bzw. Schädel hinzuweisen. Sowohl die eingehängte Spirale (Doppelspirale ist eine morphologisch falsche Bezeichnung) als auch die „lintah“-Egel-Motive (Haken, Krallen) verkörpern die Kopfjagd (kajau), wohl weil die Wesenheiten, die diese Motive ursprünglich vertreten, Symbole des kopfjagenden Kriegerstandes und der daraus resultierenden Fruchtbarkeit waren. An der Rückseite des Griffes zeigt sich eine menschliche Figur mit einer eingehängten Spirale im Brustbereich, die vielleicht einen Kulturheros oder den Singalang Burong darstellt, eine bei den Iban bekannte Kriegergottheit, die den „erfolgreichen Kopfjäger schlechthin“ und den Herrn der Kriegsorakel verkörpert.
Dieser Griff ist in gewisser Weise prototypisch für Iban-Griffe. Die Kunst der Iban- und Dusun-Gruppen unterscheidet sich von jener der übrigen Dayak insofern grundsätzlich, dass die einzelnen Elemente, wie das aso-Motiv oder die anthropomorphen Formen (Gliedmaßen als aufgelöste Elemente, „Blutegel“-Motive) sowie die eingehängte Spirale in einer freieren und ihres ursprünglichen Sinnkanons beraubten Art und Weise gehandhabt und zusammengestellt werden. So wurde z. B. das aso-Motiv (wörtl. „Hund“, als magische Abschwächung der ursprünglichen Bedeutung), d. h. der chinesische Drache long, der sich nach Prof. Hein (1889) aus dem Krokodil als uraltes Fruchtbarkeitssymbol ableiten lässt, z. B. bei Tatauier-Motiven zum „Krabben-Motiv“ oder zu einer sinnfreien Anordnung aus Spiralen und rankenartigen Formen degeneriert. mandau-Griffe sind nach Nieuwenhuis (1907), Hein (1889), Johnsson (1912) und anderen frühen Autoren in der Quintessenz ebenfalls stilisierte Interpretationen des Drachenmotivs und des auf dem aso-Drachen (oder Krokodil) positionierten Ahnherren, was sich als Gesamtkonstellation an Griffen Indonesiens, z. B. an niasischen Griffen, teilweise noch besser erkennen lässt (bekhu-Figur aus dem lasara-Drachenwesen), jedoch selten in dieser plakativen Form wie bei unserem Beispiel. Der Sinn des Fabelwesens oder Drachen- bzw. Krokodilmotives tritt durch das zahnbewehrte Maul am Ende des „Griffschnabels“ hier wieder in den Vordergrund.
Die Iban-Schnitzarbeit ist selten in der filigranen Qualität der Kayan- und Kenyah-Griffe ausgeführt, ist aber sehr expressiv und auf vordergründige Sinngehalte fixiert.
Dieses Schwert verkörpert mit seinen imposanten Dimensionen und dem martialischen Habitus, dem ausgesprochen „plakativen“ Dekor-Kanon und dem wiederholt auftretenden Schädel-Motiv die Tradition der See-Krieger in sehr anschaulicher Weise. Die fast schon überbordende Kopfjagd- und Seefahrersymbolik (Schädel, Schuppen, Seile etc.) lässt es fast als „Paradeschwert“ eines hochrangigen Iban erscheinen. Die Herkunft aus dem früheren oder mittleren 19. Jahrhundert, im opulenten Stil der späten Brooke-/Dent-Ära, kann als gesichert angesehen werden.
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