Mandau

Objekt Mandau, „gayang“, „duku“, „simpul“
Kultur Borneo/Sarawak, West-, Dayak, Kadazan (Kenyah?)
Zeit 19. Jahrhundert
Maße Länge: 64 cm
Material Stahl, Hirschhorn, Rattan, Ziegenhaar, Holz, Perlen, Textilie, Palmenblatt

Schwertformen dieser Art, gayang genannt, wurden früher als „Dusun“-typisch angesehen. „Dusun“ (heute Kadazan) ist allerdings kein präziser Terminus für eine Ethnie, sondern ein von islamischen Küstenmalaien geprägter Begriff für die Dayak’schen Plantagenbauern im küstennahen gebirgigen Hinterland von Sabah. Lokale Fürsten in Sabah und Sarawak, die man auch als den Kenyah-Dayak zugehörig ansehen kann (die ethnischen Grenzen sind fließend und primär von den geografischen Gegebenheiten, d. h. Flussläufen abhängig), waren attraktive Handelspartner für Malaien und Chinesen, da sie hochbezahlte Waldprodukte wie Edelhölzer, Edelsteine aus den Flüssen, Guttapercha, bestimmte Vogelnester usw. liefern konnten.

Es gibt eine Reihe von signifikanten Unterschieden zwischen gayang, dem Schwert der Dusun-Gruppen, und mandau, das vor allem bei den Kayan- und Kenyah-Gruppen gebräuchlich ist. Der gayang hat einen symmetrischen bikonvexen Querschnitt (in unseren Fall mit doppeltem Grubenschnitt in der oberen Hälfte der Klingenflanke), während das typische mandau einen charakteristischen asymmetrischen Klingenquerschnitt („chisel-grind“) hat, der bei der Holzbearbeitung von Vorteil ist bzw. sein kann. Unser Beispiel hat ferner eine nach dekorativen Gesichtspunkten gesteuerte Schmiedetextur mit eingeschmiedeter gehärteter Stahl-Kernlage, die durch Kerbfeilung und anschließendes Flachschmieden (gezielter Lagenanschnitt) erzielt wurde. Es hat den typischen doppelt gestuften Rücken eines mandau. Das leicht gebogene Klingenprofil ist typisch für mandau der Kenyah in Sarawak, deren Klingentradition teilweise von küstenmalaiischen Einflüssen (via Iban-Dayak) bestimmt ist. Für eine Iban-Klinge ist unser Stück atypisch und bei Iban (und Kenyah) ist die pamor-Schmiedetechnik völlig unbekannt. Die Details des Eisenschnitts am „Schor“ und der Klingenbasis wären durchaus Kenyah-typisch, aber im Ganzen deutet die Fertigungstechnik auf eine malaiische Arbeit hin, die möglicherweise im Banjar-Gebiet entstanden, aber eindeutig auf den Dayak’schen Bedarf ausgelegt und nicht malaiisch im Habitus ist. Querschnitt, pamor und Grubenschnitt deuten auf sumatranisch geprägte Schmiedetraditionen in Banjar hin, die Form ist „Kenyah-style“. Das Rätsel ist nicht restlos zu entschlüsseln, aber eine Migration qualifizierter malaiischer Schmiede innerhalb der Küstensultanate entlang Borneos kann durchaus angenommen werden. Die feinen Zierrillen an der Fehlschärfe sind durchaus auch ein Element, das auf eine von Banjar bestimmte Fertigung hindeutet. Die am Ende eingerollten Fortsätze an der Klingenbasis-Unterseite bzw. der Fehlschärfe, die an Iban-Schwertern zum krowit mutierten, sollen männliche Geschlechtsorgane symbolisieren, wahrscheinlicher ist dies jedoch eine Reminiszenz an gaja, den herrschaftlichen Elefanten (wie beim keris). 

Die Form des an der Handhabe mit feinem Rattan umflochtenen Geweih-Griffs, der mit besonders feinem Dammarharz auf die Klingenangel gesetzt ist, ist typisch für Sabah und Sarawak. Sie führt die Kajan- und Kenyah-Griffe weiter, hat aber eine mithin voluminösere, gestauchte Form mit hoher „Krone“. Die Qualität der Schnitzarbeit, welche die Knaufoberfläche (Haupt-aso) überzieht, ist hervorragend ausgeführt, aber etwas „schematisiert“ – sie hat die Anmutung einer professionellen Fertigung, wohl in höfischem Umfeld eines Küstensultanats. Sie setzt sich motivisch aus eingehängten Spiralen, den für Sarawak-Griffe typischen Vierer-Wirbeln von „Blutegeln“ (lemetak) und einzelnen Blutegeln zusammen, die wahrscheinlich in letzter Konsequenz originär ein abgewandeltes Rudiment Zhou- und Han-chinesischen Dekors im „Tierkampfstil“ sind. Bei den Iban soll es aufgrund der Blut-Assoziation die Kopfjagd symbolisieren, aber wahrscheinlicher ist eine Verbindung zu den Krallen und Zähnen von altchinesischen und innerasiatischen Totem-Gottheiten (Tigermasken, taotie) und Drachen (lung) herzustellen, die Menschenopfer forderten und landwirtschaftliche Fruchtbarkeit gewährleisteten. Der Griff lässt noch sehr anschaulich die ursprüngliche Anordnung eines aso (drachenartiges Fabelwesen bzw. einer aquatischen Fruchtbarkeits-Urgottheit, Drache bzw. Krokodil) als Hauptmotiv (der fingerseitige Fortsatz) und des darauf angeordneten „Menschen“ – erkennbar an den beiden „Gliedmaßen“ – erkennen. Dieses „Reitermotiv“ liegt einer Vielzahl alt-austronesischer Griffformen und Motivgruppen zugrunde. Die Menschenfigur, die hier nur noch an den Augenwirbeln und Gliedmaßen erkennbar ist, ist dabei möglicherweise eine Darstellung eines Initianten, der symbolisch den Weg in die Totenwelt und zurück nachvollzieht, was gleichbedeutend mit dem Reminiszieren eines primordialen Schöpfungs- und Tötungsvorgangs ist. Die Doppelspirale ist der Weg des Initianden, oder der Weg von Lebensenergie allgemein. Es ist aber auch daran zu erinnern, dass die Kopfjagd Elemente im Sinne der Totenbegleitung beinhaltet, wobei davon ausgegangen wurde, dass ein hochrangiger Ahne, unterstützt durch den Geopferten, im Jenseits benefiziäre Auswirkungen für die Nachkommenschaft erreichen würde. Nach Johnsson (1912) wurden die anlässlich von Bestattungen erjagten Köpfe daher früher in Blätterverpackungen am Sarg des Verstorbenen deponiert, damit die Totenseele nicht sehen sollte, dass es sich nicht um einen Sklaven oder einen Verwandten im ursprünglichen Sinne des Opfers, sondern einen Fremden handelte. 

Der Scheidenmund ist – wie der Griff – in recht plakativer, aber hervorragend ausgeführter Weise mit dem surya-(Sonnen-)Motiv, stilisierten Schädeln und stilisierten Gliedmaßen sowie der eingehängten Spirale versehen. Die Schädelkalotte findet sich auch am Scheidenfuß wieder. Fünf Rattan-Zierknoten halten die beiden Scheidenschalen zusammen. Griffkrone und Scheide sind mit rot-weiß-schwarzen Büscheln aus Ziegenhaar versehen – eine Adaption der Symbolfarben der hinduistischen Göttertrias, die den universellen Herrschaftsanspruch der raja von Sarawak und Brunei verkörpern und durch den Stern im Griffnacken ebenfalls angedeutet werden. Das nyo (oder tempesing), das langgriffige Messer in der Palmblattscheide am Scheidenrücken, ist nur als Holzattrappe existent. Die Palmblattscheide ist mit rotem Stoff verkleidet und flächig mit gelb-schwarzer Perlenstickerei in Spiralenfries dekoriert.

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