Mandau

Objekt Mandau „parang ilang“, „malat“
Kultur Borneo/Kalimantan, Dayak, Bahau-Region (Kajan, Modang?), evtl. Kutai
Zeit 19. Jahrhundert, Klinge evtl. älter
Maße Länge: 65 cm
Material Stahl, Weichmetall, Hirschhorn, Rattan, Holz, Textilkordel, Knochen, Palmblatt

Das hier vorgestellte Objekt ist ein mandau höchsten Ranges. Es kann der ethnischen Gruppe der Kajan zugeschrieben werden, die in Ostkalimantan (Indonesien, West-Kutai-Regentschaft) ansässig sind und nach dem Siedlungs-Großraum zu den Bahau-Dayak gerechnet werden. Der Begriff umfasst etwa 60.000 bis 100.000 Menschen, je nach identitärem Selbstverständnis. Die Kajan sind (wie die übrigen Dayak) heterogen und terminologisch ein ethnogenetisch-politisches Konstrukt; allein die Kajan-Sprachen umfassen beispielsweise 17 Untergruppen.

Die Außenseite der Klinge ist konvex, der Rücken hohlgeschabt („chisel-grind“). Im Rückenteil ist eine durchbrochene Meißelzier ausgeführt, die nach Nieuwenhuis als stilisierte weibliche Geschlechtsorgane (apotropäisches Element; Schutzzauber für die Schwertseele) zu interpretieren ist. Darunter zeigt sich eine Reihe eingelegter Messing-S-Linien (mata joh). Die Klinge hat deutliche Raffinierstruktur und stammt wohl aus dem 18. oder früheren 19. Jahrhundert. Sie hat eine angeschmiedete Schneide aus feinem lunkerfreiem Stahl. Der Rücken ist mit Feilarbeit von höchster Qualität verziert. Die Meißelarbeit kann als exorbitant bezeichnet werden. Es ist im Zusammenhang der Dekorformen der Klingen signifikant, dass laut Nieuwenhuis, der das durchaus glaubwürdig anhand von Vergleichen mit Wand-Zierpaneelen und Tätowier-Motiven (deren Bedeutung eindeutig und durch Informanten belegt ist), die darstellerische Wiedergabe von geschlechtlichen Motiven, weiblich wie männlich, durchaus eine zentrale Rolle an Schwertern spielt. Vor dem Hintergrund der apotropäischen Bedeutung dieses Motives macht das Sinn. Die Schnörkel und Spiralen vor allem an Kenyah-Klingen werden als stilisierte weibliche Genitallippen erkennbar. Tromp nennt die einfache Form leng ook monong, longna (mit eingefeilter Verzierung), lidjip (mit eingefeilter Verzierung, Durchbrüchen und den feinen „Rüsselchen“, Spiralen und Schnörkeln, die fragil aussehen, aber hinterschliffen sind und die Brauchbarkeit der Klinge nicht einschränken, und li potong, die wohl elaborierteste Form der Rückenzier, die ausschließlich bei den besten Longglat- und Bahau-(Ot Danum-)Klingen vorkommt und deren Herstellung auch erfahrenen Metallhandwerkern Rätsel aufgibt. Unsinnig ist es, die Buntmetall-Einlagen oder Messing-Stifte in der Klinge als „Zählweise für die Opfer“ bzw. „Mordregister“ (nach Hein und Tromp) zu interpretieren, wie es als Behauptung durch die Literatur geistert.

Das hier besprochene mandau zeigt deutliche Raffinierstruktur und dürfte aus lokal erschmolzenem Eisen bzw. Stahl bestehen. Dieser genießt, obgleich technisch den industriellen Qualitäten i.d.R. unterlegen, besonders hohen Status. Zu Zeiten Nieuwenhuis’ war es bereits unüblich, Eisen selbst zu schmelzen; lediglich die Longglat waren offenbar um 1900 noch im „Schmelzbetrieb“ tätig. Das Schmelzen geschah in flachen Erdgruben, die man abwechselnd mit Holzkohle und Erz füllte und unter Luftzufuhr (Doppel-Kolbengebläse) niederschmolz. Die Stahlherstellung hat eine lange Tradition auf Borneo. In Santubong (Iban: Si-antu ubong; „ship of the dead person’s soal“) und in der Niah-Höhlen bei Brunei wurden viele Hinweise auf extensive Eisenschmelze (Schlacke) seit der T’ang-Zeit gefunden. Aus Bukit Maras, Bongkissam (Sarawak Delta) der Tanjong Kubor-Bucht und am Fluss Buah stammen ebenfalls entsprechende Funde. Aus Apo-Kayan stammt das früher berühmte Mantikai-Eisen (das traditionell beste Eisen für mandau). Die Tayan/Kapuas Gebiete sind seit alters unter den Dayak bekannt für Eisendeposits und gutes Material.

Die Scheide (hulo) ist aus ausgesuchtem ranggu-Holz (Cashew) und mit Rattan-Zierbindung (pusat blanak) und feinem Kerbschnitt sowie Flachrelief verziert. Sie zeigt elegant stilisierte aso-Drachen mit langen Zahnreihen und einem Schädel-Motiv am Mundstück (Kopftrophäe). Der Scheidenmund ist mit einem Knochenring verstärkt. Die Scheidenrückseite hat eine Scheide aus Palmblatt und das nyu oder tempesing, das langstielige Allzweckmesser, das hier als eigenständiges Kunstwerk ausgeführt ist. Es hat einen oberen Griffteil aus Geweih über einem glatten dunklen Hartholzschaft, der als stilisiertes unspezifisches Ornament ausgeführt ist (abstrahierter aso). Das Trageband des mandau ist aus feinem Rattan geflochten, der Verschlussknopf (hulo bukar) aus Holz. Wahrscheinlich wurde hier eine kostbarere Amulett-Version ausgetauscht (z.B. Nashornvogel-Schnabelaufsatz etc.).

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