Mandau

Objekt Mandau, „parang ilang“, „malat“
Kultur Borneo/Kalimantan, Dayak, Bahau-Region (Kajan, Modang?)
Zeit 19. Jahrhundert
Maße Länge: 67 cm
Material Stahl, Weichmetall, Hirschhorn, Rattan, Ziegenhaar, Holz, Bambus, Tierhaut, Kordel, Tierzahn

Dieses mandau kann mit ziemlicher Sicherheit dem Zeitraum 1850 bis 1880 zugewiesen werden. Diese zeitliche Einstufung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Klinge aus Importstahl (wohl schwedischer bzw. britischer Provenienz; das Material wurde via Malaien und Chinesen importiert) geschmiedet ist. Die Klinge (in dieser Form: lidjip; ohne Spiralen und Zierfeilungen im Rücken) hat einen doppelt abgesetzten Rücken und ist in der Klingenflanke mit gereihten Sternen (tap set sien) und S-Linien (mata joh) sowie dem doppelten mata-kalong-Motiv an der Basis in Silber und Messing in wechselnder Abfolge eingelegt. Die Klinge hat Rechtshänder-Schliff („chisel-grind“), die Innenflanke ist leicht hohlgeschabt und zeigt ein leicht geschweiftes Längsprofil. Sie ist gut poliert und veranschaulicht den hochwertigen Schliff, den gute mandau haben sollten, und auf den die „Altväter“ Tromp, Hein, Nieuwenhuis und Schwaner explizit als Qualitätsmerkmal eingingen. Für eine Rohklinge aus Po-Kedjin (Bahau) wurden z.B. in Kutai um die Jahrhundertwende –zehn bis zwölf holländische Gulden bezahlt, während der Schliff, der von Hand auf Nasssteinen durchgeführt wurde, 50 Gulden kostete – d.h. die Schleifarbeit kostete das Vierfache wie das Grobschmieden.

Der Griff ist aus Hirschgeweih in für Bahau/Kajan-mandau typischer Form („Modang“-Form). Sie wird bei Tromp und Hein nach Kayan-Informanten als so-op (Griff) nyo pendjoh bezeichnet. Die Handhabe ist mit feinem Rattan umflochten. Der Griff lässt eine hohe Abstraktionsform erkennen. Bei dem Grundmotiv handelt es sich um das Haupt einer Fabelwesen-artigen Gottheit (aso), die in unterschiedlichen Kulturgebieten der Alten Welt unter unterschiedlichen Namen bekannt ist, nämlich eine die Fruchtbarkeit durch Regen und Jahreszeitenwechsel befördernde Drachen-, Schlangen- oder Krokodils-Gestalt, auf der ein Kulturheros bzw. Initiant quasi „reitet“. Das geht auf ein im gesamten austronesischen Großraum und darüber hinaus verbreitetes Mythem zurück, welches den Ursprung von Leben und Tod, also auch den der Fruchtbarkeit und Lebenserhaltung, erklärt. Die ursprünglichen Motive sind meist noch in Zahnreihen (des aso, Drachen) und Gliedmaßen (des Menschen), die je nach Ausprägung motivisch völlig entkoppelt und neu zusammengestellt wurden, ausfindig zu machen. Die eingehängte Spirale ist als „Kopfjagdsymbol“ in der Dayak-Kunst omnipräsentes Motiv. Sie verkörpert den Weg (des Initianten) in die Unterwelt und zurück, also das „Läutern“ und Umwidmen von Lebensenergie, was die Aufgabe des Kriegers und Kopfjägers ist. Bei unserem Beispiel ist sie weitgehend in „normale Spiral-Ornamentik gewandelt – eine seltene Ausprägung, die auf eine späte Entwicklungsstufe hindeutet.

Die zweiteilige Schwertscheide (hulo) ist aus ausgesuchtem Holz ranggu (eine Cashew-Art) mit feiner Maserung und mit drei flächigen dunklen Rattan-Zierknoten pusat pao zusammengehalten. Die zweischalige Form mit dem eingebundenen Bambus-Schneidenschutz heißt segun dungban. Der obere Bereich der Schwertscheide zeigt stilisierte Gliedmaßen, Spiralen und sehr abstrahierte Schädelmotive (z. B. der Kreis am Scheidenhals) im Flachrelief. An der Rückseite der Schwertscheide ist die hier zusätzlich mit Haut (wohl enthaartes Raubkatzenfell) verkleidete Palmblatt-Scheide für das nyu, das langstielige Allzweck-Messer, befestigt. Ferner finden sich abgestufte Anordnungen aus rot-weißen Ziegenhaarbüscheln als Kriegeremblem und der darin eingebundene Raubtierzahn, der den erfolgreichen Kopfjäger ausweist. Der Fuß der Scheide ist sehr ungewöhnlich ausgestaltet; der Bambus-Schneidenschutz läuft als rot lackierter Zapfen (solche Lacke waren ebenfalls erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfügbar) und der Scheidenkörper als schlanker Doppeldorn aus. Die Schwertscheide hat sehr elegante Längsprofilierungen. Das Trageband des mandau ist aus feinem Rattan geflochten, der Verschlussknopf (hulo bukar) aus Holz. Wahrscheinlich wurde hier eine Amulett-Version ausgetauscht (z. B. Nashornvogel-Schnabelaufsatz etc.), die als eigenständige Kunstwerke hoch im Kurs standen.

Das Beimesser nyu oder lunggai ist erhalten und in gutem Zustand – ein eher seltener Umstand, da die Messer bei Abgabe des mandau oft einbehalten oder separat verhandelt wurden.

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