Formosa

Formosa, die heutige Insel Taiwan ist 394 Kilometer lang und hat eine Breite von 144 Kilometer. Taiwan besteht zu rund zwei Dritteln aus Gebirgsmassiven, die sich in fünf Gebirgsketten gliedern und sich von Norden nach Süden über die östliche Hälfte der Insel erstrecken. Den Westen der Insel bildet eine flache, von Flussläufen durchzogene und dicht besiedelte Ebene, die intensive landwirtschaftliche Nutzung erlaubt. Die Landschaft ist teilweise spektakulär und Grund für den portugiesischen Namen Ilha Formosa, „famose“ bzw. „großartige“ Insel. Im Jahr 1517 „entdeckten“ (aus europäischer Sicht) die Portugiesen die Insel und tauften sie Ilha Formosa – „Großartige Insel“. 1624 besetzten niederländische Seefahrer und die Niederländische Ostindien-Kompanie den Süden der Insel und erhoben Tainan zur Hauptstadt. 1626 eroberten dann die Spanier den Norden Taiwans und gründeten Niederlassungen bei Keelung und Tamsui, wurden aber 1641 von den Niederländern wieder verdrängt. Der chinesische Ming-Loyalist Zheng Chenggong (Koxinga) besiegte 1662 die Niederländer und beendete die europäische Kolonialherrschaft. Nach dem Ende des ersten chinesisch-japanischen Krieges 1894/95 musste China die Insel Taiwan im Vertrag von Shimonoseki an Japan abtreten. Die Japaner richteten eine 50-jährige Kolonialherrschaft ein (1895–1945), die die systematische wirtschaftliche Erschließung und Ausbeutung Taiwans verfolgte – Grundstein der heutigen „Hightech-Wirtschaft“ Taiwans.

Es besteht ein grundsätzlicher kultureller Unterschied zwischen dem sich vordergründig chinesisch darstellenden Taiwan und den Ureinwohnern Taiwan-Formosas, die von den Chinesen mit leicht abfälligem Beigeschmack als Ketagalan, „Hochland-Bewohner“, bezeichnet werden. Die kulturelle Gemeinsamkeit dieser Gruppen mit den Bewohnern von Okinawa im Norden und Luzon im Süden ist unverkennbar. Sie bezieht sich auf nahezu alle Bereiche der geistigen und materiellen Kultur. Die süd-taiwanesischen Paiwan sind eines der zahlenmäßig stärksten indigenen Völker Taiwans. Mit einer Bevölkerungszahl von etwa 100.000 Menschen sind die Paiwan nach den Ami und den Atayal das drittgrößte indigene Volk Taiwans. Die benachbarten Bunun, Rukai und Siraya sind ihnen kulturell vergleichbar. Wie alle indigenen Völker Taiwans zählen auch die Paiwan zu den austronesischen Völkern. Die Paiwan, die sich in eine Reihe kleinerer Ethnien unterteilen, wurden, wie die Atayal im Norden, vor allem seit dem 17. Jahrhundert durch nachdrängende chinesische Invasoren im Laufe der Jahrhunderte in das höher gelegene Inland abgedrängt. Hier sollte aber nicht eigentlich von „Eroberung“ oder Invasion durch Letztere gesprochen werden, sondern eher von Überlagerung und ethnischen Verschiebungen. Die Paiwan teilen sich in zwei größere Gruppen, die Raval und die Butsul, die sich ihrerseits aus einer Reihe einzelner Dorfgemeinschaften zusammensetzen. Die meisten Paiwan siedeln in den Bergen des südlichen und zentralen Taiwan. Ihr Siedlungsgebiet erstreckt sich von den Damumu-Bergen im taiwanischen Zentralgebirge im Norden bis hin zur südlichen Spitze der Insel bis hin zur Küste des Landkreises Taitung.

Der Name Paiwan soll auf eine Mythe zurückgehen. Dieser zufolge sollen die Paiwan ursprünglich in einem heiligen Gebiet namens Paiwan in den Dawu-Bergen in Formosa gewohnt haben und dann nach Süden abgewandert sein. Der Name wurde daraufhin auf die Auswanderer appliziert. Nach anderen Quellen bedeutet pai wan einfach „Mensch“. Die Paiwan, die eine eigene Sprache (Paiwan) sprechen, stellen knapp ein Fünftel der indigenen Bevölkerung Formosas. Die Atayal, auch als Tayal oder Tayan bezeichnet, sind nach den sinisierten Ami das zweitgrößte der indigenen Völker Taiwans. Die Sediq und Kautas in ihrer Nachbarschaft haben weitgehend vergleichbare Kulturmerkmale. Die Bedeutung des Wortes „Atayal“ ist „echter Mensch“ oder „mutiger Mann“. Die Atayal leben zumeist im nördlichen Teil des taiwanischen Zentralgebirges und bilden ein knappes Viertel aller Angehörigen der indigener Völker Taiwans. Zu den „ethnischen“ Taiwanesen gehören auch die Yami der vorgelagerten Insel Botel Tobago, deren Häuser in Pfahlbauweise errichtet sind. Dem zugrunde liegt die Analogie zwischen Hausbau und kosmologischen Vorstellungen, nach welchen der Unterbau des Hauses die Unterwelt, der Mittelbau die Menschen- und Tierwelt und das stark ausgeprägte Dach die Götterwelt verkörpert. Diese Bauweise war schon im levantinischen Neolithikum üblich und überall in der Alten Welt bekannt. Ansonsten gibt es auf Formosa eine Reihe von Hausformen wie flache Grubenhäuser, Reethäuser oder in Steinplateaus eingetiefte Bauten, die eine signifikante Ähnlichkeit mit den Bauformen des alten Japan (Kofun-Kulturen, Emishi) aufweisen. An den Bauformen lässt sich die kulturelle Vielschichtigkeit Formosas ablesen.

Raumansicht #1

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