Schwertmesser „takit“

Diese beiden kleinen Schwertmesser takit vertreten einen relativ jungen Typ taiwanesischer Waffen, die bei der Rukai- und Paiwan-Aristokratie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verbreitet waren. Die Messer waren als Geschenke zwischen den hochrangigen Mitgliedern der wichtigen Clans vorgesehen und führen die alte Form des rinadrug-Kampfschwertes fort. Die Fertigung deutet auf chinesisch bestimmte Professionalisierung hin. Die symmetrisch angelegten Griffe zeigen Metall- und Perlmutteinlagen, die in ihrer Gesamtheit eine stehende menschliche Gestalt mit Haaren – die stehenden schmalen Stege an der Griffkrone – darstellen. Die einseitig geschliffenen Klingen sind aus hochwertigem, gehärtetem Stahl und von der Form eindeutig chinesisch geprägt. Die schmalen Bändchen auf der Rückseite der Scheiden, die teilweise detailliert mit chinesischen Zeichen oder Blüten- und anderen filigranen Motiven verziert sind, veranschaulichen die Fertigung durch chinesische „Profis“, denn die Motive sind atypisch für die Paiwan-Kunst. Diese Bändchen und die Stege, die die Messer in den einseitig offenen Scheiden halten, waren beliebtes Handelsgut in der späten Kolonialzeit Taiwans.

Der dreilappige Fuß der Scheiden ist als Reminiszenz des Mura-Kopfes zu verstehen, der das Messer bzw. Schwert zu einer sich häutenden Schlange macht. Dass Schwerter mit Schlangen gleichgesetzt werden, ist ein im gesamten euro-asiatischen Großraum weitverbreitetes Motiv und hat symbolisch einen beachtlichen Tiefgang, da das Schwert als „tötender Gegenstand“ der Unterwelt, d. h. der Weltschlange, zugeordnet wird, denn es schickt genommene Leben und die Unterwelt und befördert daher die zyklische Erneuerung von Leben durch den Krieger, das „Rückgrat“ der kriegerischen austronesischen Stämme. Es war daher auch für die Initiation und Mannwerdung von besonderer Bedeutung, denn erst der erfolgreiche Kopfjäger wurde als zeugungsfähig und -berechtigt erachtet. Die Tätowierungen, welche die initiierten adeligen Mitglieder der Gesellschaft trugen, sind ebenfalls mit Schlangensymbolik hinterlegt; sie sind als Haut und Körperteile der Schlange zu interpretieren. Sie machen die Träger sichtbar zu Nachkommen der heiligen „100-Schritt-Schlange“, die in der Urzeit die Gesellschaftordnung und die ritualisierte Kriegsführung mit Kopfjagd eingeführt hatte.

Objekt Schwertmesser „takit“, „rinadrug“
Kultur Süd-Formosa, Paiwan (Puyuma)
Zeit Beginn 20. Jahrhundert (?)
Maße Länge: 34,50 cm
Material Stahl, Holz, Buntmetall, Perlmutt

Häuptling der Rukai 

http://www.muse.or.jp/torii/taiwan/img05_rukai/640/7245m.jpg

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