Pulverhorn

Dieses Pulverhorn der Paiwan ist aus einem Stück Holz geschnitzt und mit rotem und schwarzem Lack beidseitig verziert. Auf beiden Seiten sind kleine Dreiecke aus Perlmutt eingelegt, und jeweils neben den Perlmuttstückchen kleine Messingnägel angeordnet. An der Vorderseite befindet sich eine kleine Öffnung für das Schießpulver, auf der Oberseite eine Öse aus Holz zur Befestigung am Gürtel oder Gewehr.

Auf Taiwan sind Vorderlader-Gewehre seit Jahrhunderten bekannt. Vor allem im Süden Taiwans hat das Schießen mit Vorderladern eine lange Tradition. Auch wenn die Gewehre, die technisch auf die Hakenbüchse (Arkebuse) des 16. Jahrhunderts zurückgehen, sehr umständlich zu handhaben waren, hatten sie doch die doppelte bis vierfache Reichweite wie traditionelle Waffen und erzeugten bei Invasoren den Eindruck von moderner Waffentechnik. Auch konnten sie bei der Verteidigung aus befestigten Stellungen heraus besser eingesetzt werden als die traditionelle Armbrust, die man schon seit der Han-Zeit aufgrund chinesischer Einflüsse kannte. Die Paiwan-Stämme, bei denen diese Waffen relativ verbreitet waren, galten als sehr wehrhaft und konnten bis in die japanische Kolonialzeit nie unterdrückt werden. Diese Gewehre waren bis ins frühe 20. Jahrhundert in Gebrauch. Die Gewehrläufe und der Verschlussmechanismus waren erst portugiesischer oder holländischer und später, im 19. Jahrhundert, chinesischer Herkunft und wurden mit einem lokal entwickelten und erzeugten Typ von hölzerner Schäftung versehen.

Die Hersteller dieses Pulverhorns, die Paiwan, die sich in eine Reihe kleinerer Ethnien unterteilen, wurden seit dem 17. Jahrhundert durch nachdrängende chinesische Invasoren im Laufe der Jahrhunderte in das höher gelegene Inland abgedrängt. Hier sollte aber nicht eigentlich von „Eroberung“ oder Invasion gesprochen werden, sondern eher von Überlagerung und ethnischen Verschiebungen. Die niederländischen Kolonialisten bezeichneten im 17. Jahrhundert die Gegend um das von ihnen zwischen 1624 und 1634 errichtete Fort Zeelandia (Tainan) als „Tayowan“ oder „Tayovan“. Die chinesischen Schriftzeichen für „Taiwan“ bedeuten „Terrassenbucht“. Die meisten Paiwan leben in den Bergen des südlichen Taiwan. Ihr Siedlungsgebiet erstreckt sich von den Damumu-Bergen im taiwanischen Zentralgebirge im Norden bis hin zur südlichen Spitze der Insel sowie östlich des Gebirges bis hin zur Küste des Landkreises Taitung. Die Paiwan sind der Ansicht, dass sie aus Paiwan in den Dawu-Bergen in Formosa stammten und dann nach Süden abgewandert seien. Der Name „Paiwan“, der das heilige Stammland bezeichnet, wurde daraufhin auf die Auswanderer appliziert. Nach anderen Quellen bedeutet paiwan einfach „Mensch“.

Die Paiwan zählen annähernd 100.000 Menschen und stellen knapp ein Fünftel der indigenen Bevölkerung Formosas. Wie die Atayal im Norden, die äußerlich und in der materiellen und geistigen Kultur einen etwas anderen Habitus aufweisen, haben sie sich unter Ausnutzung der unzugänglichen Geografie recht effizient gegen externe Aggressoren gewehrt und konnten nie wirklich vereinnahmt werden.

Objekt Pulverhorn
Kultur Süd-Formosa, Paiwan-Rukai-Gruppen (evtl. Pingpu)
Zeit 19. Jahrhundert
Maße H: 3,90 cm, B: 2,60 cm, L: ca. 14 cm
Material Holz, Lack, Perlmutt, Messing, Schnur
Weiterführende Literatur Zurück zur Raumansicht