Schwert „lalau“

Messer lalau dieser Art sind aus dem Nanto- oder Taroko-Gebiet bekannt. Sie waren jedoch auch bei den Ami gebräuchlich. Eine etwas geradere Form war bei den Pingpu, der einheimischen austronesischen Bevölkerung der Ebenen Formosas bekannt, wo sich eine Mischbevölkerung durch eingewanderte Chinesen herausgebildet hatte. Die schwere, halbmondförmige Rückenklinge mit symmetrischem Querschnitt ist aus Raffinierstahl, was eine Herstellung noch im 19. Jahrhundert nahelegt. Später wurde vorzugsweise industriell hergestellter Flussstahl verwendet, der von Japanern oder Chinesen importiert wurde. Dieser hat nicht die charakteristischen kleinen „Lunker“ und Einschlüsse, da das wiederholte In-Sich-Verschweißen (Raffinieren) wegfällt; zudem ist die Festigkeit viel höher, was dünnere Klingen erlaubt. Die Klinge hat eine kompetent gehärtete Schneide, die nach traditioneller Art selektiv gehärtet ist. Hierbei wird nur der Schneidenteil für die Härtung (durch Eintauchen in ein flaches Wasserbecken) erwärmt. Das erleichtert das Richten von Härteverzug und verringert die Gefahr von fatalem Klingenbruch durch Spannungsrisse, erzeugt aber wenig elastische Klingen. Die Art der Härtung entspricht dem alten japanischen Verfahren vor der Einführung des tsuchi-oki (Härten mit isolierendem Tonmantel), das wahrscheinlich erst in der Sui- oder T’ang-Zeit aus China importiert wurde. Der Griff ist aus gekonnt mit Rattan-Flechtbändern umflochtenem braunem Hartholz. 

Ganz klar auf chinesische Stileinflüsse weist das hier auf der Messerscheide applizierte Motiv des Hirsches (oder Zwerghirsches) in einer stilisierten Hügellandschaft hin, der sich in fast identischer Form auf den ältesten keris-Scheiden findet, wie sie sich vereinzelt in alten europäischen Sammlungen erhalten haben. Das ist insofern interessant, als auch hier auf chinesische Künstler geschlossen werden kann. In einigen Quellen des 16. Jahrhunderts werden keris als „chinese daggers“ bezeichnet, was sich weniger auf die Herkunft als auf spezialisierte Handwerker beziehen dürfte. Die rot-schwarze Bemalung ist mit beachtlicher Sensibilität ausgeführt; die Art und Qualität der Farbe lässt mit Vorbehalt auf das frühe 20. Jahrhundert schließen. Die rote Farbe gilt als unheilabweisend. Rot und Schwarz sind die bestimmenden Farben von Scheidengestaltung in indo-malaiischen Großraum (besonders deutlich erkennbar an piso sanalenggam der Batak) und seit jeher auch an keris-Scheiden von besonderer symbolischer Bedeutung. 

Die Hersteller und Benutzer von Messern dieser Art, die Atayal, auch als Tayal oder Tayan bezeichnet, sind das zweitgrößte der indigenen Völker Taiwans nach den Ami. Sie sprechen eine Formosa-Sprache mit ca. 30 Dialekten. Die Bedeutung des Wortes „Atayal“ ist „echter Mensch“ oder „mutiger Mann“. Die Atayal zählen etwa 100.000 Menschen. Sie leben zumeist im nördlichen Teil des taiwanischen Zentralgebirges und bilden ein Viertel aller Angehörigen indigener Völker Taiwans. Die in früherer Zeit zu den Atayal gezählten Völker der Truku und Sediq werden seit 2004 bzw. 2008 als eigenständige Ethnien offiziell anerkannt. 

Objekt Schwert „lalau“
Kultur Nord-Formosa, Truku oder Atayal
Zeit 19. Jahrhundert/frühes 20. Jahrhundert
Maße Länge: 66 cm
Material Holz, Stahl, Rattan, Lack, gewebtes Band 
Weiterführende Literatur Zurück zur Raumansicht