Luzon
Die Insel Luzon ist die mit 108.200 Quadratkilometern die größte der 7.107 philippinischen Inseln und steht in der Liste der größten Inseln der Erde an 15. Stelle. Sie trennt das Südchinesische Meer im Westen vom Pazifik im Osten. Auf Luzon leben etwa 40 Millionen Menschen. Gemeinsam mit den beiden südlicher gelegenen Inselgruppen Visayas und Mindanao sowie einer Vielzahl kleinerer Inseln bildet Luzon den Inselstaat der Philippinen. Der Norden Luzons wird der Länge nach von dem Gebirgszug der Cordillera Central durchzogen. Die höchsten Erhebungen liegen im Norden um 900 Meter und im Süden um 2.700 Meter. Tiefe Täler, die sehr breite Talsohlen aufweisen, und zahlreiche Flüsse durchschneiden die Gebirgszüge. Das tropische Klima von Luzon wird von zwei Perioden bestimmt: der Regenzeit und der Trockenzeit. Die Regenzeit dauert in der Regel von Juni bis November. Das Klima ist dann extrem feucht. In den Bergen wurden höchste Niederschläge bis etwa 1.200 Millimetern pro Tag gemessen, wobei das jährliche Mittel mit 4.600 Millimetern errechnet wurde. Im Vergleich dazu beträgt der Niederschlag in Hamburg im ganzen Jahr nur 750 Millimeter. In einem Jahr regnet es im Durchschnitt an 177 Tagen. Weil die Cordillera Central von tropischen Passat- und Monsunwinden erreicht wird, ziehen nicht selten Taifune durch dieses Gebiet. Die Vegetation des Hochlandes ist durch regionale klimatische Unterschiede und Eingriffe des Menschen in die Natur sehr unterschiedlich geprägt. Die jahrhundertelange kulturelle Nutzung der Gebiete hat dazu geführt, dass es heute große Flächen gibt, die nur noch von Gras bewachsen sind. Luzon ist, wie auch die südlichen Inseln der Philippinen, seit unvordenklicher Zeit besiedelt. Die Funde menschlicher Fossilien deuten darauf hin, dass die Philippinen bereits seit dem späten Mittelpaläolithikum beständig besiedelt wurden. Ausgrabungsstätten im Cagayan Valley, die im Norden von Luzon liegen, erbrachten Funde, die in die früheste Menschheitsgeschichte zurückdatiert werden können. Die ältesten Artefakte wurden auf ein Alter von 709.000 Jahren datiert und stammen von Homo erectus. Die ältesten Fossilien des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) wurden 2007 in der Callao-Höhle in der Sierra Madre entdeckt und auf ein Alter von ca. 67.000 Jahren datiert.
Ob die Erstbesiedlung des Inselarchipels über Landbrücken erfolgte, ist seit den Funden in Nord-Luzon höchst umstritten. Nachweisen lässt sich, dass die Vorfahren der heutigen Negritos, die der vor-austronesischen Bevölkerungsschicht zugeordnet werden, vor ca. 40.000 Jahren über Palawan und den Sulu-Archipel in den Archipel einwanderten. Der Volksstamm der nomadisch lebenden Aeta soll aus diesen Einwanderern hervorgegangen sein. In der Zeit von 6000 bis 2500 v.u.Z. wanderten austronesisch sprechende Gruppen, von Taiwan kommend, auf den Philippinen ein und breiteten sich weiter süd- und ostwärts auf die Inseln des Pazifiks aus und westwärts über Südostasien bis nach Madagaskar aus, das sie vor ca. 1.500 Jahren erreichten. Sie brachten ein hierarchisches Gesellschaftssystem, Landwirtschaft mit Trockenfeldbau, eine Reihe von Nutztieren wie Schweine, Hühner und Rinder und sicherlich auch schon kosmologische Konzeptionen wie die Teilung der Welt in Daseinsebenen und entsprechende Jenseitskonzeptionen mit. Alle einheimischen philippinischen Sprachen gehören heute zum westlichen Zweig der malayo-polynesischen Untergruppe der austronesischen Sprachfamilie.
Im zentralen Bergland von Luzon sind die Igorot ansässig. Der Begriff Igorot ist eine ethnische Sammelbezeichnung für eine Reihe von Ethnien. Das Wort leitet sich ab von golot, was in den Tagalog-Sprachen so viel wie Berg oder Gebirge bedeutet. Aus igolot, „Leute des Berges”, wurde Igorot. Der Begriff wird auf etwa 1,5 Millionen Menschen angewendet, die teilweise in den bewaldeten Tiefregionen, mehrheitlich jedoch in den höher gelegenen Graslanden und Kiefernwäldern Luzons in Subsistenzwirtschaft vom Trockenfeldbau leben. Es werden auch die Bezeichnungen Cordillerano oder Cordilleran für die Bergbewohner von Luzon verwendet, da die Bezeichnung Igorot besonders von den Kalinga und Ifugao als diskriminierend empfunden wird. Die Igorot gehören kulturell zur austronesischen Kulturebene des Indo-Malaiischen Archipels (wie auch die Batak, Toraja, Niha, Dayak etc. in Indonesien). Gemeinsame Sprache und Amtssprache ist Ilocano, der Sprache der Küstenbewohner und der Händler in der Bergregion, oder Englisch, das als einheitliche Sprache unter der amerikanischen Regierung in der Schule gelehrt wurde und heute als Lingua franca dient. Die Sprachen der Igorot-Gruppen gehören zu der Nördlichen Luzon-Untergruppe der philippinischen Sprachen, die ihrerseits zur austronesischen, malayo-polynesischen Sprachfamilie zählen. Die Igorot selbst bezeichnen sich selbst teilweise als Ifigao oder Ipugao (in ihrer Sprache ebenfalls Berg-Bewohner bedeutend). Die Igorot können in zwei unterschiedlich wirtschaftende Gruppen aufgeteilt werden. Die größere Gruppe lebt in den südlichen, zentralen und westlichen Gebieten Luzons und hat sich auf den Terrassenfeldbau spezialisiert. Das in Jahrhunderten zur durchstrukturierten Kulturlandschaft umgebildete Landschaftsbild Luzons ist spektakulär; die Terrassenfelder der Igorot sind unlängst als UNESCO-Weltkulturerbe eingestuft worden und Bestandteil jeden Reiseführers.
Die Igorot unterteilen sich in neun verschiedene ethnolinguistische Gruppen: Bontok, Ibaloi, lfugao, Isneg, Kankanaey, Kalinga, Tinggian, Gaddang und Ilongot. Heute ist das Igorot-Gebiet in die sechs Provinzen Abra, Apayao, Benguet, Ifugao, Kalinga und Mountain Province sowie die unabhängige Stadt Baguio eingeteilt. Als durchgängig bäuerliche Gesellschaften leben die Igorot jedoch überwiegend in Dörfern bis zu 1.000 Einwohnern. Sie betreiben Landwirtschaft, d. h. vor allem Ackerbau (Reis und Süßkartoffeln), aber auch Viehhaltung (Wasserbüffel, Schweine, Hunde und Hühner). Das Hauptnahrungsmittel Reis kultivieren sie im Südwesten auf bewässerten Terrassenfeldern und im Nordosten im Trockenbau, wobei diese Anbau-Grenze quer durch das Gebiet der Tinggian und Kalinga verläuft. Das hervorragendste Phänomen in der Kultur der südlichen und zentralen lgorot ist der Reisanbau in bewässerten Feldern, der vor allem bei den lfugao eine erstaunliche Differenzierung erfahren hat. Ein äußerst raffiniertes System von Terrassenbauten und Bewässerungsanlagen zieht sich die oft steilen Berghänge hinauf. Die Terrassenmauern sollen bei den lfugao eine Gesamtlänge von ca. 19.000 Kilometern erreichen. Einige davon sind bis zu 15 Meter hoch für ein Feld von oft nur drei Metern Breite. Dieser intensive Ackerbau und die gute Versorgungslage erklärt die für Bergstämme sehr hohe und weiter wachsende Bevölkerungszahl. Die nördlichen und östlichen Stämme (Isneg und Gaddang) bauen dagegen (Trocken-)Reis auf Brandrodungsfeldern an.
Die spanische Kolonialherrschaft auf der Insel, die von 1564–1898 dauerte (das Ende des spanisch-amerikanischen Krieges), hat die Kultur Luzons nicht sonderlich tangiert. So haben die Igorot neben dem Christentum teilweise auch ihre animistischen Religionen bewahrt. Die Gaddang unterteilen sich z. B. in einen christlichen und einen animistischen Teil. Unter der amerikanischen Regierungszeit begann eine mehr systematische Erforschung der Igorot und ihrer Kultur, die sich in einer Reihe von Publikationen von Ethnologen und Missionaren niederschlug und die zum Teil sehr ausführlich die unterschiedlichen Ethnien und ihre kulturellen Eigenheiten beschrieben haben.