Kopfaxt „sinawit“
Die sinawit ist eine Streitaxt der Igorot-Gruppen in der Bergprovinz der philippinischen Zentralkordillere auf der Insel Luzon. Diese Form von Axt ist endemisch für Luzon und hat einen unverwechselbaren Habitus. Über ihren Ursprung ist nichts bekannt, aber es ist anzunehmen, dass sie, wie so viele andere Klingenformen Südostasiens, auf die ge– oder ko-Hellebarde der Zhou- und Han-Periode zurückgeht. Die konkave Schneide und der ausgezogene Dorn im Nacken reminiszieren Zhou-zeitliche chinesische Stangenwaffen für Infanterie und Streitwagen-Besatzungen, die in der Heeresreform der frühen Han-Periode und der damit einhergehenden Aufgabe der schweren Streitwagen zugunsten der leichten Kavallerie außer Gebrauch kamen und dann im großen Stil in den Außenprovinzen verhandelt wurden. Dort inspirierten sie viele nachfolgenden Formen, zu denen wahrscheinlich in letzter Konsequenz auch der indonesische Kris, die dao der Naga Myanmars und Assams und unterschiedliche asymmetrische Klingen der koreanischen und japanischen Bronzezeit zählen.
Die Igorot benutzen diese Axt als Waffe und Werkzeug. Igorot (wörtl. „Bergbewohner“) ist jedoch ein ungenauer Begriff und eine Sammelbezeichnung für verschiedene Ethnien, darunter Bontok (auch Bontoc), Ibaloy, Ifugao, Isneg, Kalinga und Kankanaey (auch Kananai), die alle diese Art von Beil bzw. Axt kennen. Beil wäre der bessere Terminus, da die Axt definitionsgemäß ein zweihändig zu führendes Werkzeug ist. Ihren gängigen Namen „Kalinga-Kopfaxt“ erhielt diese Art von Beil von den die Kopfjagd ausübenden Stämmen, darunter die Kalinga, die diese Klingen auch selber produzierten und damit handelten. Diese Äxte werden in einer weniger aufwendigen und martialischen Form noch heute hergestellt. Der überwiegende Teil der Beil-Produktion, z. B. der Bontoc-Igorot, wurde von benachbarten Gruppen übernommen. Bei den südlichen Bontoc waren neben den Beilen auch die Bolo-Haumesser verbreitet. Die Beile haben eine glatte Klinge, die an der Schneide konkav oder gerade verläuft. Die obere Klingenseite ist leicht gebogen, die untere gerade. Gegenüber der Schneide hat sie einen auslaufenden Dorn, über dessen Zweck es diverse Mutmaßungen gibt. Der Dorn soll z. B. zur Verwendung als Arbeitsgerät in den Boden gerammt werden können. Da die Axt nun fixiert ist, kann man an der Schneide verschiedene Materialien schneiden – so wurde postuliert. Allerdings wäre das Einsatzspektrum einer solchen Handhabung nur sehr begrenzt. Ohnehin gibt es zahlreiche solcher „Interpretationen“, die als Exotismen gelten dürfen. Dazu gehört auch die Behauptung, die gegabelte Form des Igorot-Schildes sei dazu bestimmt, Gegner mit dem Hals am Boden festzupinnen und mit der Axt zu enthaupten. Technisch ist das unsinnig, denn mit dem einarmig und freihändig gehaltenen Schild kann man einen noch wehrhaften Gegner nicht „fixieren“, während sich diese Vorgehensweise bei einem bereits wehrlosen Gegner ohnehin erübrigt.
Es gibt zwei Arten dieser Axt. Die Äxte der nördlichen Ethnien sind an der Klinge konkav gearbeitet, die der südlichen Gruppen gerade oder konvex. Die stark konkave Variante der Nord-Äxte disqualifiziert das Gerät als Werkzeug, während die oft kürzeren Süd-Äxte teilweise durchaus brauchbare Alltagswerkzeuge darstellen. Nach Albert E. Jenks (1905) gab es Anfang des 20. Jahrhunderts in der Bontoc-Region zwei hauptsächliche Dörfer, in denen diese Waffen hergestellt wurden. Die nördlichen Äxte wurden in Balbelasan hergestellt. Sie haben die tendenziell konkave Schneidenform und einen längeren Stiel. Die südlichen Beile stammen aus Baliwang; sie haben einen kürzeren Stiel und eine eher gerade oder leicht konvexe Schneide. Der generische Terminus „Cordillera-Axt“ würde sich für diese Objektform anbieten, wohingegen der Terminus „Kalinga-Axt“ suggeriert, dass diese Beile eine Spezialität der Kalinga seien, was nicht feststeht. Die Ifugao scheinen die Axt früher nicht benutzt zu haben, haben sie jedoch übernommen. Die Axt verlor an praktischer Bedeutung, als sie nach dem spanisch-amerikanischen Krieg durch die amerikanischen Kolonialisten verboten wurde. Es ist möglich, dass die geradschneidige Form wie auch das vermehrte Auftreten des Ganzstahl-Bolo-Messers als Gebrauchswerkzeug in dieser Zeit vermehrt gefördert wurde, obwohl die Form mit konkaver Schneide sicherlich die ursprüngliche Form darstellt. Die kurzen geraden Beile und das bolo (pika, pinahig) durften als unverzichtbares Alltagswerkzeug in der Öffentlichkeit getragen werden. Im 19. Jahrhundert scheint auch der Begriff aliwa für diese Beile bekannt gewesen zu sein, was sich aber auch auf einen Umschlagsplatz für solche Objekte beziehen kann, wie „Damaszener-Klinge“ sich auf Damaskus als Handelsplatz und nicht auf einen Typ bezieht.
Objekt | Kopfaxt „sinawit“, „gaman“, „aliwa“ |
Kultur | Nord-Philippinen, Luzon, Bontoc oder Kalinga |
Zeit | 19. Jahrhundert/frühes 20. Jahrhundert |
Maße | Länge: 39,50 cm – 82,50 cm |
Material | Stahl, Holz, Buntmetall, Lack |