Haumesser „bolo“

Die wichtigste Handklinge einiger Igorotstämme ist das bolo, bisweilen auch pika genannt. Bolo ist in den Philippinen ein Sammelname für vielgestaltige lange Messer, Hauer und Kurzschwerter, entsprechend dem parang oder klewang in Indonesien. Bolo ist ein unspezifischer, generischer Begriff für eine Vielzahl von großklingigen Messern oder Schwertern, wie parang oder klewang in Indonesien und Malaysia. Das Wort hat denselben Stamm wie das indo-malaiische baladau (oder niasische balato), wobei wahrscheinlich das alttürkische Wort pala (Schwert, Säbel) in Verbindung mit dem schon lange bekannten chinesischen dao, „Messer“, gebracht wurde (also sinngemäß: „Schwert-Messer“ oder „Säbel-Messer“). Eine andere mögliche, aber weniger wahrscheinliche Herleitung ist von sanskrit pada, pata (Schwert). Entsprechend vielgestaltig sind die Blankwaffen, die mit diesem Namen bezeichnet werden. Man erkennt ganz klar, dass die konstruktiven Merkmale, wie die aus einer integral mit der Klinge geschmiedeten Grifftülle, welche mit geflochtenen Rattanbändern überzogen ist, und die einseitig offene Scheide, hikot genannt, denen der Paiwan- und Atayal-Schwerter auf Formosa sehr ähnlich sind.

Bei den Igorot dienen bolo als universelle Arbeits- und Kampfmesser. Zu den Gruppen, die das bolo benutzen, zählen Ifugao, Bontoc, Ilongot, und Kalinga. Die Ausführung des bolo der Igorot kann ein- oder zweischneidig sein, aber allen gemein ist eine relativ schwere, vorderlastige Klinge mit guter Eignung zum Hieb. Alle bolo sind universell einsetzbare Werkzeuge. Ihre formmorphologische Verwandtschaft mit Klingenobjekten aus Taiwan-Formosa ist unverkennbar; auch besteht eine Ähnlichkeit mit japanischen matagi-nagasa (Jagdmessern). Die Klingenlänge des bolo liegt zwischen 30 und 50 cm, kann aber in Einzelfällen auch nach oben oder unten abweichen. Sie können sehr schwer und massiv sein und wie Beile für die Bearbeitung von starkem Holz eingesetzt werden.

Alle Igorot bearbeiten Metall und stellen ihre Waffen und Werkzeuge selbst her. Wenig geklärt ist, ob lokal Eisen bzw. Stahl erschmolzen wurde, aber es ist anzunehmen, da die alten Klingen eine ausgeprägte Maserung und spezifische Schmiedetextur mit eingeschweißter Stahlschneide zeigen, die nicht auf europäischen oder chinesischen Import schließen lässt. In einigen Primärquellen sind auch Bilder des frühen 20. Jahrhunderts von Igorot-Schmieden zu finden, die sich in ähnlicher Weise darstellen wie malaiische oder indonesische Schmieden: ein kleiner „Pavillon“ mit dem Kolbengebläse, einer ebenerdigen Esse und einem Stockamboss, der in einem schwingenden Baumstamm oder den Boden eingelassen ist.

Innerhalb der einzelnen Stämme unterscheiden sich bolo nur geringfügig voneinander, mit Ausnahme des bolo der Ilongot, der durch seine abweichende Klingen- und Scheidenform auffällt und den Messern truku oder lalau der Atayal auf Nord-Formosa nähersteht, während der „normale“ bolo mit Stahltüllengriff den Messern takit oder rinadrug der Paiwan-Gruppen ähnlich ist. Die Klinge eines bolo ist meist relativ schwer und stark. Von der Basis aus verbreitert sich die Klinge, wobei die Schneide zunächst gerade ist, um dann in einem zunächst sanften, dann immer enger werdenden und zuletzt halbkreisförmigen Bogen zum in der Rückenlinie liegenden Ort zu enden. Die Schneide ist meist – aber nicht immer – deutlich abgesetzt von der Seitenfläche. Hohlbahnen sind nicht vorhanden, der Querschnitt der vollen Klinge ist also fünfeckig oder keilförmig. Das bolo ist ein unverzichtbares Alltagsgerät aller Igorot, in ländlichen Gebieten auch heute noch. Daher war es auch nicht beim Waffenverbot der Amerikaner nach dem spanisch-amerikanischen Krieg eingeschlossen; zu wichtig war es als Gebrauchsgerät. Auch die GIs trugen es gerne. Es ist festzustellen, dass auf allen bekannten fotografierten oder gezeichneten Kampfszenarien immer die Lanze oder die Kopfaxt als Hauptwaffen fungieren, nie das bolo. Es ist in erster Linie Werkzeug.

Bolo können zwei unterschiedliche Griffarten aufweisen. Die erste Variante ist weltweit bekannt und üblich. Sie beruht auf der klassischen Steckangel, mit der die meisten Blankwaffentypen in der Welt ausgestattet sind. Auf einen ausgeschmiedeten Erl wird eine gelochte Handhabe (bei bolo immer aus Holz) geschoben, die mit Metallzwingen gegen Aufspalten geschützt wird. Sie kann mit Harz (Guttapercha) fixiert und (selten) mit einem Nietknopf an Ende des Griffes gegen Abrutschen gesichert sein. Die zweite, weltweit relativ seltene Variante besteht in einer als Griff fungierenden Rohrangel (Tüllengriff), die in einem Stück mit der Klinge geschmiedet ist. Im Prinzip wird das stumpfe Ende der Klinge zu einem runden oder ovalen Rohrstück geschmiedet, was logischerweise ein Übermaß dieses Bereiches von ca. dem 2,5-fachen späteren Durchmesser des Griffes erfordert. Am Übergang zwischen flacher Klinge und runder Rohrangel muss beim Schmiedeprozess vor den „Einrollen“ der Grifftülle eine trapezförmige Einschnürung vorbereitet werden. Rattanbünde oder komplette Umwicklungen erleichtern dann die Handhabung der Waffe. Wenn die Rattanwicklung in Form einer doppelten Kreuzwicklung vorliegt, hat die Hand einen besonders guten Halt, auch bei Regen oder schweißnasser Hand. 

Die Konstruktion mit Eisentüllen-Griff und offener Scheide scheint noch aus der frühen Eisenzeit Südostasiens herzurühren, anders lassen sich die Parallelen kaum erklären. Diese Formen sind „rein austronesisch“ und prädatieren die Zeit indischen Kultureintrags, der im späten ersten Jahrtausend maßgeblich wurde. Die Messer sind von formalem Aufbau auch nahe mit Klingenobjekten des östlichen Himalaya verwandt (Bhutan, pa-tag-Schwert).

So wie es zwei unterschiedliche Griff-Typen gibt, so existieren auch zwei Typen von Scheiden: die offene Scheide und die geschlossene Scheide. Beide unterscheiden sich durch die Abdeckung der Waffe im versorgten Zustand. Die offene Scheide besteht aus einem Brettchen, bei dem der Umriss der bolo-Klinge ausgehöhlt wurde. Dies gilt ganz besonders für den unteren Teil, der obere ist breiter vertieft, damit die Klinge von oben in ihrer ganzen Breite in die Vertiefung rutschen kann. Der Halt der Klinge nach hinten, rechts und links wird also durch die Form der Höhlung in dem Brettchen bestimmt. Über die Klinge läuft ein schmaler Steg, der den Halt gewährleistet. Diese Art der Klingenversorgung ist, obschon sehr praktisch, weltweit gesehen eher ungewöhnlich. An dem Steg ist meist eine Rattan-Schnur angebracht, an der die Aufhängung befestigt werden kann. Die offene Scheide ist der Typ, der von den Ifugao benutzt wird. Er ist auch von Taiwan-Formosa bekannt und weltweit recht selten; nur bei den Naga in Myanmar und in Bhutan (patag-Schwert) ist er ebenfalls üblich. Die geschlossene Scheide entspricht im Aufbau dem gewöhnlichen Typ der Klingenfutterale im südostasiatischen Archipel; sie besteht aus zwei auf einer Seite ausgehöhlten Brettchen, die aufeinandergelegt und mit zwei oder mehreren Bünden miteinander verbunden werden. Auch hier ist die Aushöhlung der Klingenform angepasst. Der Griff ragt ganz aus der Scheide heraus, der Scheidenmund ist mit einer Deckplatte versehen. Zum Typ der geschlossenen Scheide gehört auch die bolo-Scheide der Ilongot. Diese wird auf die gleiche Art und Weise hergestellt wie die anderen geschlossenen bolo-Scheiden, sie sieht aber ganz anders aus. Während die Form der Scheide der Ifugao-, Bontok- und Kalinga-bolo-Scheiden der Klingenform nachempfunden ist, ist der Scheidenort der Ilongot-bolo-Scheiden durch eine trapezförmige Erweiterung verziert, die auf einen stilisierten Schlangenkopf zurückgeht, wie an Formosa-Waffen gut erkennbar ist. Ein interessantes Merkmal bei den geschlossenen Typen ist, dass bei vielen Scheiden aus der oberen Platte eine Statuette im Halbrelief herausgeschnitzt ist. Diese kann eine Ahnenfigur, eine Eidechse oder ein anderes glückbringendes Symbol sein.

Objekt Haumesser „bolo“
Kultur Philippinen, Igorot
Zeit 19. Jahrhundert
Maße Länge gesamt: 46 cm, Klinge: 44 cm
Material Stahl, Holz, Rattan, Weichmetall
Weiterführende Literatur Zurück zur Raumansicht