Sulawesi

Die Insel Sulawesi, neben Java, Timor, Sumatra und Borneo eine der großen Hauptinseln Indonesiens, hat eine maximale Ausdehnung von etwa 1.000 Kilometern (diagonal) und erhebt sich auf fast 3.500 Meter Seehöhe. Die Fläche beträgt 189.216 Quadratkilometer. Die Komma-Form zeichnet einen Gebirgszug im Landesinneren nach, dessen höchste Erhebung der Mt. Rantemario ist. Die schwierige Topografie hat die Kulturgeschichte Sulawesis maßgeblich bestimmt. Während die Küsten- und Flachlandgebiete seit Jahrhunderten vor allem von muslimischen Bugis, Makassaren und Mandan beherrscht werden, die regen Kontakt mit muslimischen Großreichen wie den Osmanen und Safawiden unterhielten, war über die Bevölkerung im gebirgigen Landesinneren seit jeher weniger bekannt. Dennoch liegen die kulturhistorischen Verbindungen zwischen Küste und Hinterland auf der Hand. Der Unterschied liegt in der Wirtschaftsweise, d. h. der Bildung von handelsorientierten Ballungsräumen im schiffbaren Küstengebiet und dem selbstversorgenden Inlandgebiet. 

Sulawesi war schon vor über 100.000 Jahren von Menschen bewohnt, wie Funde von Steinklingen beweisen. Die Besiedlung von Süd-Sulawesi durch den modernen Menschen ist ab etwa 30.000 v.u.Z. aufgrund der Radiokarbondaten von Abris in Maros belegt. Höchstwahrscheinlich war die Insel ein Teil der Landbrücke, über die die Besiedlung von Australien und Neuguinea um 40.000 v.u.Z. erfolgte. Nach den Ausführungen des Forschers Peter Bellwood legen Radiokarbon-Daten eine südwärts gerichtete Wanderung austronesischer neolithischer Bauern nahe, die Wanderfeldbau betrieben. Das Ursprungsgebiet der Bugis, die heute die größte und einflussreichste Gruppe in Süd-Sulawesi bilden, lag um die Seen Tempe und Sidénréng in der Walennaé-Senke. Hier siedelte die sprachliche Gruppe, die zu den modernen Bugis-Sprechern wurde, für etwa 2.000 Jahre. Der originäre Name dieser Kultur, der in anderen lokalen Sprachen bewahrt wurde, war Ugiq, was zu Ugi bzw. Bugi wurde. Die Toraja sind sprachlich die nächsten Nachbarn der Bugis. Die Bugis-Gesellschaft war vor 1200 v.u.Z. in kleinen Häuptlingstümern organisiert. Die Wirtschaftsform bestand in einer Mischung aus Jagd und Sammlertätigkeit sowie Brandrodung mit Wanderfeldbau. Ab dem 13. Jahrhundert veränderten der zunehmende Bedarf an prestigeträchtigen Handelsgütern und Eisenvorkommen aus Ost-Java, Festland-Südost-Asien und indirekt auch China jahrhundertealte kulturelle Muster. Es entwickelte sich eine Tendenz, größere politische Einheiten aufzubauen. Ab 1400 u. Z. entstand eine Reihe von landwirtschaftlich geprägten Fürstentümern im westlichen Cenrana-Tal sowie an der Südküste und an der Westküste in der Nähe des heutigen Pare-Pare. Sulawesi wurde seit dem 15. Jahrhundert islamisiert. Zuvor waren Buddhismus und Hinduismus bei den Eliten vorherrschend, die aber stark von lokalen Traditionen durchdrungen waren, vor allem auf der durchaus autonomen Verwaltungsebene der Dörfer und Bezirke. 

Die Inlandbewohner von Sulawesi sind in jüngerer Zeit vor allem unter dem Namen Toraja bekannt geworden. Der Terminus bedeutet „Leute des Gebirges“, aus der buginesischen Sprache als to ri’aja entlehnt. Die Etablierung des Begriffs Toraja geht im Wesentlichen auf den niederländischen Missionar A. C. Kruyt zurück, welcher den aus dem Portugiesischen bekannten Namen Alfuren für die Inlandbewohner Sulawesis ablehnte, der nichts anderes bedeutet als „Wildnisbewohner“ oder „Urwaldleute“, oder vereinfacht: „Wilde“, von den Portugiesen abgeleitet von haleferu aus der Ternate-Sprache, was dort „Wildnis, Urwald“ bedeutet. Der Terminus wird noch heute auf die Bewohner der Molukken angewendet, ist aber ethnologisch ohne Aussagekraft. Heute gibt es etwa 1.100.000 Angehörige der ethnogenetischen Großgruppe, die sich selbst als „To-Raja“ ansieht.

Es lässt sich bei den Toraja eine Reihe von Untergruppen ausweisen, die jeweils verschiedene Sprachen bzw. Dialekte sprechen. Von diesen sind im Westen die Sa’Dan, Mamasa, Toala und Talondo die zahlenmäßig bedeutsamsten Gruppen. Die Bare’e-sprechenden Ost-Toraja nennen sich nach der stärksten Gruppe auch Pamona oder Pamuna. Die östlichen Gruppen verstehen sich nicht pauschal als Tojara oder Bare’e Toraja, sondern verwenden ihre eigenen Bezeichnungen, wozu zum Beispiel Kaili, Kulawi und Bada’a gehören. Je nach Zählung sind das etwa 100.000 Menschen. Auch die Bare’e setzen sich allerdings wiederum aus einer Vielzahl von Gruppen zusammen, die um den Poso-See, den Golf von Tomini und Bare’e ansässig sind. Bare’e-Sprachen werden von allem in Ost-Sulawesi gesprochen und können wiederum in lokale Dialekte untergruppiert werden. Die Towana und To-Amoanaluite um den Poso-See sind physisch etwas anders als die übrigen Bare’e geartet, sie zeigen teilweise einen eher melanesiden Habitus. In ihnen setzt sich sehr wahrscheinlich die vor den metallzeitlichen Austronesiern ansässige Bevölkerung Sulawesis in einem stärkeren Anteil fort. Die Toraja bauen traditionell Trockenreis im Wanderfeldbau an; Nassreis wurde erst um 1905 durch die Holländer eingeführt. Mais wird ebenfalls angebaut, wird aber als minderwertiges Lebensmittel angesehen. Der Jahreslauf wird durch Rituale gegliedert, die Erntefeste, Übergangsriten, Verdienstfeste und Einweihungsfeste einschließen, wie z. B. für die Stammhäuser, die sich bei den Toraja zu monumentalen, über 20 Meter hohen Kolossalbauten erheben können. In einem typischen Toraja-Dorf leben 40 bis 200 Menschen, die auf zwei bis zehn Häuser verteilt wohnen. Jedes Haus bietet vier oder sechs Kernfamilien Schutz; es sind aber teilweise bis zu 16 Familien in einem Haus untergebracht. Einige Gruppen, wie Onda’e und Lage, bauen auch „Einfamilienhäuser“. Wegen kriegerischer externer Bedrohung, auch aufgrund der Kopfjagd, wurden früher verstärkte „Hill-Forts“ eingerichtet, in die man sich bei Alarm zurückzog. Das Stammhaus tongkonan verkörpert den Clan, dem es zugeordnet wird, in einer fast intimen Weise. Der Status der tongkonan-Einheit wird maßgeblich von der Ahnenreihe und von der Größe und Qualität der Feste, die sie ausrichtet oder finanziert, mitbestimmt.

Gesellschaftliche Rituale einschließlich der Kopfjagd erklären sich nur vor dem Hintergrund der Mythologie. Das Ritualleben und die Kosmologie manifestieren sich am deutlichsten im Stammeshaus, tongkonan. Wie überall in Südostasien verkörpert die Struktur mit dem tragenden Balkenwerk, dem gewaltigen Giebeldach und dem zurückgesetzten Wohnraum die Dreiteilung der Welt in die drei Ebenen Unter-, Mittel- und Oberwelt, die von den hohen Ahnen aufgrund der Aktivitäten der Lebenden durchbrochen werden können. Das dem gesamten Ritualleben zugrunde liegende kosmologische Modell ist durch diese Dreiteilung bestimmt, die von der Dualität in Form der Gottheiten Laki und Ndara beherrscht wird. Tongkonan sind Zentrum des sozialen Lebens und Veranschaulichung der Kosmologie. Das Äquivalent hierzu ist der Weltenbaum, bei dem die Wurzeln, der Stamm und die Krone dieselbe Aufteilung verkörpern. Die Unterteilung der Gesellschaftsordnung in drei Klassen, nämlich Sklaven, Freie und Adlige, wird in gleicher Weise durch beide Erscheinungsformen ins Bild gesetzt. Die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung bedeutet somit die Stabilisierung der natürlichen Weltordnung, und gesellschaftliche Aktivitäten wie die ritualisierte Kriegsführung mit der Kopfjagd, die die Fluktuation zwischen den Ebenen katalysieren, zementieren und bestätigen diese Ordnung. 

Raumansicht #1

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